Zwei Bücher und eine Entführung: Josef Graf Gizycki, Schüttelstraße ca. 7–9 (ehemals: 11), Teil 2

Wie aus einem Film von Erich von Stroheim: Josef Gizycki (Sport & Salon, 6. Dezember 1900)

Er könnte einem Film von Erich von Stroheim entsprungen sein: Charmant, intelligent, gebildet, charismatisch, hedonistisch, skrupellos, amoralisch, zynisch, narzisstisch – all diese Zuschreibungen lassen sich auf den mehrere Jahre, bis zu seinem Tod, im Pratercottage ansässigen Grafen Josef Gizycki (1867–1926) anwenden. Der polnische Aristokrat und Sohn der Komponistin Ludmilla Gizycka-Zamoyska (1829–1889) war eine bekannte Erscheinung am Wiener Parkett, ein ideenreicher Protagonist des Jockey-Clubs, ein Mitbegründer(1) des ersten österreichischen Reit- und Poloklubs(2), und selbst im Verwaltungsrat der Hotel Imperial Aktiengesellschaft ist sein Name zu finden. Für die ambivalenten Erinnerungen an den rastlosen Herrenreiter und Gutsbesitzer sorgen Bücher aus Großbritannien und den USA, die zwei sehr unterschiedliche Frauen porträtieren: Etti Plesch (geb. Maria Anna Paula Ferdinandine Gräfin von Wurmbrand-Stuppach), die aus Wien stammende Tochter von Mary Vetseras Cousine May Baltazzi und wahrscheinlich ein uneheliches Kind des  – freundlich formuliert – polyamourösen Grafen, sowie Eleanor »Cissy« Patterson, seine prominente US-amerikanische Exgattin, die Gizycki verlassen hatte und sich danach mit ihm einen hasserfüllten Scheidungskrieg lieferte. Der transatlantische Kampf um die gemeinsame Tochter Felicia, die Gizycki in einer filmreifen Aktion sogar entführt … WEITERLESEN.

Das Ende eines exzessiven Lebens: Josef Graf Gizycki, Schüttelstraße ca. 7–9 (ehemals: 11), Teil 1

In den kommenden Wochen werden hier Texte über den mehrere Jahre in der Schüttelstraße ansässigen Grafen Josef Gizycki (polnisch: Józef Giżycki h. Gozdawa) erscheinen. Nachfolgend eine behördliche Information über sein Ableben (Wiener Zeitung, 16. Mai 1926, S. 12, online auf ANNO):

Der Verkauf der Entreprise des pompes funèbres an die Stadt Wien (1907)

Im Jahr 1907 wird die Entreprise des pompes funèbres – sie war, wie in diesem Blog schon erwähnt, 1868 von dem im Pratercottage ansässigen niederländischen Generalkonsul Owen Maurits Roberts van Son erworben  und danach in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden – an die Stadt Wien verkauft.  Treibende Kraft von Seiten des Verkäufers: Owen Maurits Roberts van Son, der dem Verwaltungsrat des Bestattungsunternehmens vorstand.

Dazu war in der Wiener Tageszeitung Die Zeit am 15. Februar 1907, Seite 4, unter dem Titel Verstadtlichung der Leichenbestattung Folgendes zu lesen (online auf ANNO):

»Vorgestern wurde nun der Vertrag unterzeichnet, wonach beide Unternehmungen, vorbehaltlich der Zustimmung des Stadtrates und des Gemeinderates, an der wohl kaum zu zweifeln ist, am 1. April d. J. mit ihrem ganzen Fundus und ihrem Kundenkreis in das Eigentum der Gemeinde Wien übergehen, und zwar die Concordia um den Preis von 650.000 Kronen und die Entreprise um jenen von 1,700.000 Kronen. […|

Bezüglich der Entreprise wurde Folgendes vereinbart: Diese ist bekanntlich Aktiengesellschaft und wurde im Jahre 1870 unter dem Titel Erste Wiener Leichenbestattungsanstalt Entreprise des Pompes Funèbres gegründet. An der Spitze ihres Verwaltungsrates steht gegenwärtig Generalkonsul O. M. Roberts van Son. Das Aktienkapital beträgt eine Million Kronen Nominale, im … WEITERLESEN.

Meldezettel Jenny Adler-Herzmark und Max Adler, Schüttelstraße 15a (heute Schüttelstraße 13; 1909)

(Quelle: WStLA, Historische Meldeunterlagen, K11: Adler Max, 15.1.1873; CC BY-NC-ND 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de)

Jenny Adler-Herzmark und Max Adler im Wien Geschichte Wiki:
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Jenny_Adler
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Max_Adler_(Soziologe)

Werksalbum der Witkowitzer Bergbau- und Eisenhütten-Gewerkschaft (ca. 1904)

Das Volkskundemuseum Wien stellte kürzlich ein um 1904 entstandenes Werksalbum der Witkowitzer Bergbau- und Eisenhütten-Gewerkschaft als Digitalisat online. Die faszinierende Publikation enthält 35 Heliogravüren und präsentiert sowohl Außen- als auch Innenansichten der riesigen und hier in diesem Blog schon mehrfach erwähnten Eisenwerke in Witkowitz/Vítkovice.

Link zum Digitalisat: www.volkskundemuseum.at/publikationen/publikation?publikation_id=1555220542167

Der Philanthropische Verein. Simon Steingraber, Böcklinstraße 45 (ca. 1914/15–1923)

Im Alten Jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs: Die Gräber von Emil Horner und Simon Steingraber; letzteres mit leider nicht mehr intaktem Grabstein. (Fotos: Eva Maria Mandl, 2017)

Emil Horner (1854–1910) war Prokurist bei S. M. v. Rothschild. Er wohnte in der Praterstraße 47 (siehe auch Lehmanns Adressbuch 1910; das Haus existiert nicht mehr). Er wurde als »herzensguter Mensch« beschrieben.

Simon Steingraber (1845–1923) war Prokurist bei den Gebrüdern Gutmann. Er wohnte unter anderem in der Mayerhofgasse 12 (damals ebenso übrigens wie auch Alexander Girardi, der Gustav Picks Fiakerlied so genial interpretierte) und in der Wohllebengasse 5. In Lehmanns Adressbuch 1915 wird schließlich erstmals die Villa Böcklinstraße 45 als seine Wohnadresse angegeben (in der neuen Nachbarschaft residierten auch mehrere Verwandte). Er wurde als »Menschenfreund von seltener Herzensgüte« beschrieben.

Lehmanns Adressbuch 1907: Simon Steingraber und Alexander Girardi wohnten beide im Haus Mayerhofgasse 12, 1040 Wien.
Lehmanns Adressbuch 1915: Simon Steingraber wohnt in der Villa Böcklinstraße 45 (die Straße hieß damals noch Valeriestraße). In diesem Haus lebte als Steingrabers Nachbar auch der renommierte Fotograf Hermann Clemens Kosel.

Diese liebevollen Charakterisierungen dürften wohl zutreffend sein. Horner und Steingraber nämlich zählten zu den maßgeblichen Persönlichkeiten der bedeutenden Wiener Wohltätigkeitsorganisation Philanthropischer WEITERLESEN.

Die Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft, 1912/13

Das Areal der Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft um 1908.1

Wir schreiben das Jahr 1912. Das Eckgebäude Kohlmarkt 1/Graben 18 in der Wiener Innenstadt wird von einer riesigen Reiterstatue dominiert. (Manche meinen, hier handle es sich um den polnischen König Jan Sobieski III., eine gewagte Interpretation, die andernorts strikt verneint wird.) Das 1896 errichtete Wohn- und Geschäftshaus beherbergt unter anderem den Parfüm- und Seifenproduzenten Nuphar, den k.u.k. Hoflieferanten mit seiner ins Romantische spielenden Inseratenkampagne. Und es beherbergt Büros der Maschinenfabrik Andritz Actiengesellschaft – ein steirisches Unternehmen, das unter dem Namen Andritz AG mehr als ein Jahrhundert später zu den weltweit führenden Maschinen- und Technologielieferanten zählen wird, mit rund 26.000 Mitarbeitern an über 250 Standorten in mehr als 40 Ländern.

In diesem besagten Jahr 1912 amtiert Heinrich Wiedmann (Villa Böcklinstraße 35), mächtiger Prokurist des Konzerns Gebrüder Gutmann, als Präsident des Verwaltungsrats. Carl von Ferstel (ein Bruder von Max, dem Architekten aus der nahen Stammgasse – d. h. auf der anderen Seite der Brücke –, über den hier in diesem Blog schon berichtet wurde) ist in leitender Position mit von der Partie. Die beiden Manager sind der Industriellendynastie Gutmann nicht nur beruflich, sondern auch verwandtschaftlich verbunden; so … WEITERLESEN.